Homologationsserie von 50 Stück, die meisten für Privatfahrer
Für 1966 sah das Reglement der Rennsportbehörde FIA bei den Sportwagen erhebliche Änderungen vor. Bei den Gran Turismo Wagen wurde die bisherige Mindeststückzahl von 100 Fahrzeugen pro Jahr auf 500 Stück angehoben. Darüber hinaus wurde eine Seriensportwagenkategorie geschaffen, die eine Mindeststückzahl von 50 identischen Fahrzeugen, produziert in einem Jahr, forderte.
In dieser neuen Kategorie, offiziell Sportwagenkategorie genannt, wurde 1966 die Markenweltmeisterschaft ausgetragen. Um seinen Kunden eine Sportwaffe für die grossen internationalen Rennen zur Verfügung stellen zu können, legte Porsche daher eine Serie von 50 Seriensportwagen, Carrera 6 genannt, auf. Der Carrera 6 wurde, mit Seitentanks und 15 Zoll-Rädern ausgerüstet, zum Preis von DM 45’000.- verkauft. So stand es in der Presserklärung vom November 1965.
Auf Leichtigkeit und Geschwindigkeit getrimmt
Der Zweck heiligt die Mittel. Der Carrera 6 wurde konsequent auf den Rennsport ausgelegt. Nur 98 cm hoch war die Flunder, die Kabine verengte sich nach oben, um den Luftwiderstand zu minimieren. Ohne Flügeltüren wäre der Sportwagen gar nicht besteigbar gewesen. Ein leichter Rohrrahmen, bewährt im Ollon-Villars-Spider, bildete die Basis, der Motor mit zwei Liter Hubraum, Doppelzündung und 210 PS bei 8’000 U/min sorgte für den Vortrieb. Nichts war an dem Wagen dran, was nicht nötig war. Der “Kofferraum”, vom Reglement vorgesehen, befand sich vorne.
650 kg schwer war die kleine Rakete, die Spitzengeschwindigkeit (mit langer Achse) betrug 280 km/h und richtig übersetzt konnten 100 km/h in weniger als 6 Sekunden erreicht werden.
Die Geräuschkulisse im Inneren war infernalisch, was sich auch in einem Ausspruch des Rennfahrers Hans Herrmann zeigt: “Nach einem Langstreckenrennen hört man eben erst am Dienstag wieder etwas, aber das macht nichts.”
Zu fahren wie ein normaler Strassen-Personenwagen
Im Frühjahr 1966 erhielt die Automobil Revue die Gelegenheit, den letzten der 50 gebauten Kundenwagen probezufahren. Und Redaktor Walter Honegger war von der Leichtigkeit, mit der sich der Wagen fahren liess, und den hoch angesiedelten Fahrleistungen begeistert. Von der Optik des “Fisches in Plastikhaut” war er weniger angetan, speziell die Frontpartie empfand er von vorne betrachtet als hässlich und insgesamt sprach er von einem reinen Zweckdesign, ausgerichtet auf optimale Aerodynamik. Er notierte eine starke Untersteuerungstendenz in langsamen Kurven, die aber mit Gaseinsatz und in schnelleren Kurven gut kontrollierbar zu Neutralität oder Übersteuern wechsle. Er lobte die hervorragende Bremsanlage und die nach vorne gute Übersichtlichkeit der Karosserie mit den grossen Kotflügeln, die das Platzieren des Wagens zum Kurvenscheitelpunkt hin erleichtern würden.
Die Bedienungsanleitung des Carrera 6 offenbarte die Nähe zu normalen Personenwagen, hier am Beispiel Starten gezeigt: Zündung einschalten, leicht Gas geben und durch Weiterdrehen des Zündschlüssels Anlasser betätigen, nötigenfalls nach kurzer Pause Anlassvorgang wiederholen. Unspektakulär.
Das Fünfganggetriebe war voll-synchronisiert, der erste Gang lag wie bei Rennsportwagen üblich links hinten. Das Lenkrad war axial verstellbar. Über einen Tachometer verfügte der Serien-906 nicht, dafür aber über Horn und Scheibenwischer mit Waschanlage.
Auch die Zeitschrift Auto Motor und Sport publizierte im Februar 1966 einen Kurzbericht und kritisierte noch vor dem Einsteigen bereits die grossen “15er-Latschen”, weil man mit 13 Zoll grossen Rädern einen niedrigeren Schwerpunkt hätte anpeilen können. Zuffenhausen begründete die grösseren Räder als “produktionsbedingt”. Als gefährlichen Gegner des 906 sah AMS den Dino 206S von Ferrari, der eine wesentlich höhere Drehzahlgrenze (10’000 statt 8’000 U/min) offerierte als der Porsche.
Schon damals beliebt und begehrt
Bereits am 20. Januar 1966 meldete die Automobil Revue, dass die Fünfziger-Serie ausverkauft sei. In der Zweiliterklasse wurde der 906 als zu schlagender Gegner für die Abarth Due Mila und die Alfa Romeo TZ (Tubolare Zagato) gesehen. Und die Aussage von Walter Honegger in der AR 21/1966 zeigt die Popularität des kleinen Zuffenhausners: “Wie begehrt sie sind, zeigt die Tatsache, dass die Besitzer das beste Geschäft machen könntenwenn sie auf die vielen Kaufangebote eintreten würden, die ständig an sie gelangen”.
Zu den Erstbesitzern gehörten auch eine ganze Reihe bekannter Schweizer Rennfahrer, unter anderem Vögele, Kühnis, Spoerry und Wicky.
In Deutschland kauften unter anderem Erich Bitter, Wilhelm Bartels, Werner Brockhaus, Gerhard Koch, Udo Schütz einen Carrera 6.
Beeindruckende Rennerfolge
In den Saisons 1966 und 1967 waren die Porsche Carrera 6 in der Zweiliterklasse fast das Mass aller Dinge. Schon die “Vorserien”-Modelle mit 904 und Spyder-Karosserie überzeugten in den Jahren zuvor. Einer der wichtigsten Gesamtsiege war der Erfolg von Willy Mairesse und Herbert Müller bei der Targa Florio 1966. Aber auch der vierte Platz in Sebring 1966, herausgefahren durch Herrmann/Buzzetta/Mitter, hinter drei Ford GT 40 Mk2 mit 7-Liter-Motoren, liess international aufhorchen. In Le Mans erkämpfte man sich 1966 die Plätze 4 bis 7, wiederum hinter drei 7-Liter-Ford-Prototypen, gewann aber die vielbeachtete Index-Wertung mit den Plätzen 1, 2 und 4 und natürlich die Zweiliter-Klasse.
Ausserordentlich erfolgreich war der flache 906 auch am Berg, so unter anderem bei diversen Läufen der Berg-Europameisterschaft.
1967 und in den Jahren danach wurde der Porsche 906 hauptsächlich durch Privatfahrer und -teams eingesetzt, das Werk nutzte den 906 nur noch spärlich und konzentrierte sich auf die Entwicklung des Nachfolgers 910. Immerhin setzte es einen Klassensieg bei den 24 Stunden von Le Mans. Die “Privaten” errangen Klassensiege bei den 1000 km von Monza, den 1000 km Nürburgring, am Sportwagen GP in Zeltweg und gewannen in vielen Ländern Meistertitel. Und diese Serie setzte sich auch 1968 und in den Folgejahren fort, bis schnellere Renngeräte dem 906 den Rang abliefen.
Nicht für die Ewigkeit gebaut
Haltbarkeit war nicht Priorität eins, mehr als eine Saison musste das Fahrzeug ja nicht konkurrenzfähig sein, entsprechend knapp wurde manche Komponente ausgelegt. Und dass bei den Probefahren so ziemlich alles davonflog, von den Türen bis zur Heckhaube, zeigt, dass man sich erst an ein akzeptables Minimum an Stabilität herantasten musste.
Auch heute noch aktiv und erfolgreich im historischen Rennsport
Rund 45 Jahre nach ihrer Entstehung treten die Porsche 906 in historischen Rennveranstaltungen rund um die Welt an, bei den Le Mans Classics, dem Gaisbergrennen, der Arosa ClassicCaroder dem AVD Oldtimer Grand Prix sind die schnellen Porsche-Rennsportwagen konkurrenzfähige und beim Publikum beliebte Teilnehmer und werden von den Besitzern nicht geschont.
Verschlungene Pfade, hohe Preise
Fünfzig gleiche Fahrzeuge musste Porsche bauen innerhalb eines Jahres, darüber hinaus entstanden diverse Werkswagen und Spezialversionen, so dass man heute rund 60 Fahrzeuge mit der bekannten Flügeltüren-Karosserie zählen kann. Dazu kommen die sechs Fahrzeuge, die noch mit 904-Karosserien ausgerüstet wurden und hauptsächlich dem Test des Motors dienten, sowie 6 Bergspyder (teilweise Kangeroo genannt), 1 Carrera 6 Spyder und drei Langheckversionen, was zu 76 dokumentierten Fahrgestellen führt. Einige Chassis-Nummern sind mehrfach vorhanden, bei vielen ist die Geschichte nur schwer nachvollziehbar.
Auf jeden Fall aber sind die Zeiten, wo ein Carrera 6 für DM 25’000 (oder weniger) den Besitzer wechselt, vorbei. Gute Examplare mit nachvollziehbarer Historie und Rennvergangenheit liegen heute im oberen sechsstelligen Euro-Bereich.
(Quelle: Zwischengas)